Karotten von A bis Z
Der Impuls zur Projektarbeit mit Krippenkindern unter dem Thema „gesunde Ernährung in der Kita“ war meine mündliche Prüfung für die berufsbegleitende Weiterbildung zum Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen. Da ich selbst gerne mit Pflanzen arbeite und mir Projektarbeit mit Kindern Spaß macht, war die Planung schnell gemacht. Es braucht Wannen, Erde, Kräuter- und Gemüsesamen.
Außerdem fielen in den Bereich der Planung die Suche nach dem geeigneten Standort im Hinblick auf Schatten und Licht, die geeignete Größe der Wannen damit Kräuter und Gemüse ausreichend Platz zum Wachsen haben, die Überlegung welche Pflanzen kombinierbar sind (nicht jedes Kraut versteht sich miteinander, ähnlich wie bei uns Menschen), die Überlegung wie viel Wasser die Kräuter und das Gemüse benötigen genauso wie der Umfang der Pflege (täglich, wöchentlich, regelmäßig …) und schließlich wie setzen wir die Kräuter und das Gemüse ein.
Die Durchführung
Im März startete ich mit dem Projekt. Im Essbereich unserer Krippe stellte ich die beiden Wannen auf. Die waren natürlich erst einmal spannend und wurden direkt als Wanne zum Reinsetzen genutzt.
Nachdem ich einigen neugierigen Kindern erzählte was ich vor habe und nachfragte wer Lust hätte, die Erde mit in die Wanne zu füllen, war im Prinzip für so viel Interesse viel zu wenig Erde da. Eine weitere Herausforderung war das Alter der Kinder. Die Erde traf nämlich bei den jüngeren Kindern vieles und alles, außer die Wannen. Aber die Kinder hatten Spaß. Bei den älteren Kindern merkte ich eher, dass sie aktiv zuhörten und auch nachfragten ob es so richtig sei wie sie die Erde in die Wannen schütteten und sogar Erde die am Boden landete, wieder aufkehrten um sie dann in die Wanne zu schütten.
Zwei der älteren Kinder zeigten den jüngeren Kindern immer wieder wo die Erde eigentlich hin sollte. Sie steigerten sich so hinein, dass sie auch energischer in ihrem Tonfall gegenüber den jüngeren Kindern wurden: „ nein nicht da hin, da gehört die Erde hin, da kommen die Karotten rein!“ „ du sollst die jetzt da rein machen!“
Die jüngeren Kinder verließen nach kurzer Zeit den Bereich, die älteren Kinder blieben.
Nach dem die Erde in den Wannen war, trugen wir sie hinaus vor das Haus wo wir sie platzierten. Die weitere Pflege der Pflanzen erfolgte durch die älteren Kindern.
Samen und Körner
Ich zeigte den Kindern die Samen und die Packung auf der abgebildet war, was dann später einmal wächst. Die Irritation der Kinder war in ihrem Gesicht zu sehen, als in der Packung z. B. keine Karotten, kein Basilikum, Thymian oder Petersilie wie auf der Abbildung zu sehen enthalten waren. Samen und Körner hmmmm… und nun?
Ich stellte den Kindern die Frage, ob sie eine Idee haben wie aus den Körnern jetzt Karotten und Kräuter werden?
Die besten Antworten hier zusammen gefasst:
„ da muss man schütteln und dann verzaubern die sich“
„ einfach so machen (reinschütten in die Erde) und dann kakka“
„ gießen und dann wachsen die ganz groß“
„ das geht gar nicht“
„ hm ich weis nicht, ich glaub ich weis, ich weis, man muss die anpusten und dann
kommen die raus und meine Mama kommt um drei!“
„ nein, das sind keine Karotten, Karotten sind orange“
„ die Körner sind für Vögel“
Es war gar nicht so einfach den Kindern durch Erzählen vorab irgendwie begreiflich zu machen, dass aus diesen Samen die Karotten und Kräuter wachsen, wenn wir sie gut pflegen. Ich sagte ihnen, was es alles braucht damit das auch gelingt:
Sonne, Wärme, Wasser, Schatten, Dunkelheit, Helligkeit und Zeit.
Generell fiel mir auf, dass ich im Vergleich zu meinen Erfahrungen mit Projekten im Kindergarten viel mehr agieren musste, z. B. dass die Kinder die Samen nicht willkürlich streuen oder dass die Samen für die Karotten in einem Abstand gesetzt werden um überhaupt ein Wachstum zu ermöglichen. Ich habe viel häufiger an die Stellen gezeigt, an welchen sie die Samen streuen können. Also einfach mal „machen lassen“ war es weniger. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass die Kinder mit Begeisterung dabei waren. Ein Junge setzte sogar jedes Samenkorn einzeln in die Erde und streute etwas Erde darüber. Schließlich waren alle Körner in den Beeten und ab da hieß es „abwarten“ und es dauerte wirklich lange. Zwischenzeitlich gab es ein paar richtig kalte Tage verbunden mit der Sorge, dass die Samen erfroren seien. Doch Anfang Mai ließen sich die ersten Spitzen blicken und die Kinder, die beim Ansäen dabei gewesen waren, haben mich darauf angesprochen: „da schaut ein grün raus.“
Von da an gingen wir meistens nachmittags je nach Wetterlage raus, um nachzusehen wie sich die Triebe entwickelten. Die Kindern waren mit Messbechern ausgestattet. Der Wasseranschluss war direkt um die Ecke. So konnten wir vor Ort das Wasser zapfen und direkt im Anschluss die Pflanzen gießen.
Ab Mitte Mai ging es zusehends schneller mit dem Wachstum der Pflanzen. Das freute mich, weil es zum Mitverfolgen des Prozesses für die Kinder leichter wurde.
Die erste Karotte
Ende Juni zog ein Kind die erste Karotte aus der Erde. Wir stellten fest, dass sie noch mehr Zeit brauchen. Der eigentliche Erntezeitpunkt war aber auch erst Anfang Juli eingetragen. Dennoch erkannte man eine zierliche hellorangene Wurzel, die einer Karotte ähnelte und die Kinder hatten zum ersten Mal einen Bezug zwischen Samenkorn und dem Ergebnis. Mit dem Ziehen der ersten Karottenwurzel wuchs die Neugierde jeden Tag mehr. Ein Kind fragte mich morgens: „sind die Karotten schon reif?“ Ich sagte, dass wir nachsehen können. Wir gingen hinaus zum Beet und ich zeigte dem Kind wie es die Karotte am besten ziehen kann. Wieder wurde mir bewusst, dass ich viel durch Worte erklärte, wobei das eigentliche Lernen durch das Erleben stattfindet. Zeitgleich war ich erstaunt, wie das Kind die Handkoordination drehen und gleichzeitig ziehen ohne Probleme meisterte. Zum Vorschein kam zwar wieder eine kleine orange Wurzel, jedoch wesentlich grösser, ausgeprägter und sie hatte noch mehr Ähnlichkeit mit einer Karotte.
Ich stellte während der letzten Wochen fest, dass die Kräuter etwas uninteressanter waren. Sie wurden von den Kindern zwar gegossen aber die Begeisterung war eindeutig für die Karotten da.
Die Ernte
Wochen vergingen bis zum vergangenen Montag den 15.07.2019.
Eigentlich war es eine spontane Idee, dass ich ein Kind fragte ob es Lust hat mich zum Karottenbeet zu begleiten. Das Kind ließ sofort sein Spielzeug fallen und rannte vom Essbereich in den Küchenbereich, direkt in die Garderobe. Es zog seine Socken aus und legte diese sogar noch ordentlich in sein Fach und stellte sich bereit an die Eingangstüre. Ich sagte, dass ich eine Schüssel mitnehmen muss falls die Karotten schon reif sind. Wir gingen zum Beet und das Kind zeigte mir, dass es den Handgriff vom letzten Mal noch kannte. Es zog und drehte am unteren Ende des Karottengrüns und holte mit jeder Menge Erde die erste reife Karotte heraus.
„ oh ja eine Karotte juhu!“ rief es.
Sofort war dem Kind auch klar, dass diese Karotte in die Schüssel kam. Es war ebenso klar, dass jetzt das restliche Beet geprüft werden muss ob noch mehr Karotten reif waren. Ich setzte mich diesmal einfach auf den Boden und sah zu. Das Kind war vertieft und grub, zog und drehte was das Zeug hielt. Es war mit Begeisterung dabei. Einige Karotten haben es nicht geschafft, aber die meisten hatten sich gut entwickelt und wir gingen mit einer vollen Schüssel zurück in die Krippe. Als wir in die Krippe zurück kamen, rief das Kind zu den anderen in den Raum: “wir haben Karotten!“ Und schon hatte ich ein paar interessierte, neugierige Kinder im Essbereich um mich herum am Tisch stehen. Ein Kind fragte „ sind das die Karotten wo wir in die Erde haben?“
Verarbeitung der Ernte
Nun kündigte ich den Kindern an, dass wir die Karotten erst waschen müssen bevor wir sie essen. Ich stellte eine Wasserschüssel auf den Tisch und legte daneben ein sauberes Tuch. Die Kinder trennten das Karottengrün ab und rieben die Karotten im Wasser sauber. Danach legten sie die gewaschenen Karotten auf das saubere Tuch. Ich schnitt die Endstücke ab.
Der Vorteil unserer Sorte war, dass man die Schale mit essen konnte. Meine ursprüngliche Idee war die Herstellung von Karottenmus als Aufstrich. Als ich sah, dass die Kinder sie direkt am Tisch roh aßen, verabschiedete ich mich von der Idee. Den Rest verarbeiteten wir zu einem Karottensaft.
Dem Karottensaft fügte ich einen Apfel und Wasser hinzu und begann mit dem pürieren. Ich fragte die Kinder, wer mal versuchen möchte.
Manche entschieden sich für ein „ ja ich“ andere machten es vom Gesichtsausdruck ihres Nachbarn nach dem Probieren des Saftes abhängig und andere wiederum bestanden darauf, dass ich zuerst probiere und dann erst sie.
Ich hatte eine ungesiebte Variante mit viel Fruchtfleisch und eine gesiebte mit weniger Fruchtfleisch. Beides kam gut an. Besonders spannend fand ich, das ein Kind die ungesiebte Variante probierte (die im nicht schmeckte) und trotzdem auch noch die gesiebte Variante probierte (die ihm auch nicht schmeckte).
Probier Portion für die Eltern
Die Kinder freuten sich, dass auch für die Mamas und Papas etwas von dem Saft im Eltern-Wartebereich zur Verfügung stand.
Nun ist das Projekt mit den Karotten beendet.
Den Kindern durch das Projekt einen unvergleichlichen Bezug zum Essen entwickeln zu lassen ist mir genauso gelungen, wie sie am Prozess partizipieren zu lassen.
Das Beet ist leer und kann neu befüllt werden.
Das Projekt ist als ein kontinuierliches zu verstehen und ich würde mich freuen, wenn es in Zusammenarbeit mit den Eltern erweitert und ausgebaut werden kann. An Ideen mangelt es nicht, wer also Interesse hat, mehr zu meinen Ideen zu erfahren und sich ebenso für den Anbau begeistert, der darf gerne auf mich zu kommen.
Nadja, Krippe Erlenstegen