Unsere Umsetzung der freien Bewegungsentwicklung nach Ansätzen von Emmi Pikler
In der Überschrift könnt Ihr sicherlich bereits erahnen, worum es in diesem Blogbeitrag geht. Darüber Hinaus möchten wir Euch jedoch auch ein bisschen Aufklärung verschaffen, welche Folgen es auf Körper und Geist haben kann, wenn Kinder sich zu eingeschränkt oder häufig durch Fremdbestimmung fortbewegen.
Hier bei uns in der Aqua-Kita stellt die freie Bewegungsentwicklung einen pädagogischen Schwerpunkt dar. Uns PädagoGinnen ist es daher umso wichtiger, dass Ihr Euch als Eltern nicht nur eines Platzes wegen für uns entscheidet, sondern hinter den pädagogischen Schwerpunkten steht. Keine Sorge, Ihr müsst auch nicht alles eins zuhause so umsetzen wie wir es hier in der Aqua-Kita tun, denn das geht allein vom Rahmen her schon gar nicht. Eure Kinder können sich zu dem wunderbar auf verschiedene Rahmenbedingungen und Regeln einlassen und anpassen. Entscheidend ist die Haltung. Denn dafür spielt der Raum an sich keine Rolle J
Nun wird sich manch einer beim Lesen auf die Schulter klopfen und sich denken: „ Ach super, ein Kletterdreieck und das Rutschbrett haben wir ja zuhause und ein Pikler-Ess-Bänkchen haben wir auch. Wir setzen die freie Bewegungsentwicklung ja schon um.“
An dieser Stelle holen wir Euch schmunzelnd ab und sagen Euch: „Nur weil zuhause Piklermöbel stehen und genutzt werden, bedeutet das nicht gleich, dass sich Euer Kind frei bewegen kann.“ Dazu gehört ein bisschen mehr.
Bei uns in der Aqua-Kita sind die Räume und das Mobiliar auf die Kinder ausgerichtet und das Personal dementsprechend mit der Pädagogik vertraut oder noch dabei sich mit ihr vertraut zu machen.
Egal in welchem Bereich, ob Krippe, Kindergarten oder Hort, ist bei unserer räumlichen Vorbereitung ganz wichtig, dass sich die Kinder uneingeschränkt, druckfrei und vor allem in ihrem Tempo bzw. in ihrem Rhythmus bewegen müssen, um sich gesund entwickeln zu können. Bereits im Kleinkindalter in den Krippenbereichen, lernen die Kinder bei uns, sich gegenseitig Zeit zu lassen statt sich zu drängen oder zu schubsen. Je nach Sprachvermögen der Kinder und dem Zutrauen, geben wir ihnen auch die Ressource mit auf den Weg zu sagen: „Stopp, warte, lass mir Zeit.“ „Halte Abstand.“ Das ist beispielsweise in Situationen wo mehrere Kinder auf eine Leiter hintereinander oder von beiden Seiten gleichzeitig steigen möchten, viele Kinder gleichzeitig sich auf einer Treppe befinden und es in dem Moment recht eng um sie herum ist, oder auch beim Balancieren über ein waagerecht eingehängtes Brett.
Als PädagoGinnen sitzen wir je nachdem wie sicher sich ein Kind bewegt näher oder weiter entfernter dabei. Worauf wir achten ist, dass wir entspannt bleiben. Beispielsweise wenn die Kinder sich in die Höhe bewegen, sich freihändig sitzend auf der Leiter mit dem Rumpf hin und herdrehen. Nichts wäre ungünstiger als Schnappatmung und unruhiges Wedeln mit den Armen als Erwachsener J Denn meistens passiert dann erst recht etwas und die Kinder werden durch unsere Unsicherheit und hektischen Bewegungen und unseren Ausdruck verunsichert und stürzen ggf.
Begibt sich ein Kind in eine Position, aus der es sich selbst nicht mehr befreien kann oder bekommt in der Höhe Angst, heben wir die Kinder im Krippenbereich z.B. herunter, so dass sie von vorne beginnen können wenn sie das möchten. Die Wiederholungen schaffen für die Kinder die Routine, welche sie brauchen um neue Wege gehen zu können und ihr Selbstvertrauen aufbauen zu können. Wenn sie später einmal beim Probieren neuer Bewegungsabläufe in Unsicherheit geraten, können sie ihre geübten Bewegungsabläufe, die welche sie in ihrem Gehirn gespeichert haben wieder abrufen und einbauen. Diese verschaffen ihnen dann Sicherheit und Ruhe. Kindergarten-oder Schulkinder herunterzuheben wird schon schwieriger bis unmöglich. Hierbei hilft in unsicheren Situationen, ebenso die Ruhe zu bewahren und dem Kind zu sagen: „Ich bleibe bei Dir, atme ganz ruhig, mach kurz eine Pause, ich bin da.“ Manchmal hilft es auch, wenn wir einen Hocker zum Absteigen dazu schieben, oder eine weitere Matte um dem Kind das Abspringen zu ermöglichen. Anstelle einer Matte und je nach Bodenbeschaffenheit, hilft es auch, den Boden um die Kletterbaustelle frei zu räumen, damit ein uneingeschränktes Fallen oder Springen ermöglicht werden kann.
Kleinkindern die sich in den Anfängen ihrer Bewegungsstrukturen und dem Muskelaufbau befinden, stellen wir das passende Mobiliar zur Verfügung. Welche Bewegungsabläufe Euer Kind gerade durchlebt, finden wir über den Dialog mit Euch Eltern heraus und über unsere Beobachtungen im Alltag mit Euren Kindern. Das kann beispielsweise eine Rampe oder ein niedriges Podest sein um niedrige Höhen beim Krabbeln zu erklimmen, eine Leiter um aus anderen Perspektiven den Überblick zu bekommen und das Steigen üben zu können, ein Hocker mit Quer-oder Hochkantsprosse für Kinder die sich gerade in den Stand aufrichten oder sich seitlich fortbewegen.
Bei allen Bewegungsabläufen, welche die Kinder sich im Laufe ihres Lebens aneignen gilt ein wichtiger Grundsatz! „Lasst Ihnen Zeit.“ Vor allem lasst Ihnen die Zeit es selbst zu tun. Die Kinder brauchen kein geführtes Laufen (Erwachsener läuft hinter dem Kind und hält die Hände des Kindes Hände hoch), insbesondere dann nicht, wenn sie selbst noch gar nicht in der Lage dazu sind.
Im Gegenteil. Ihre Hüfte, ihr Becken, ihr Rückgrat wird nachhaltig geschädigt und ihr Reflex beim Fallen, mit den Händen zuerst aufzukommen um sich zu stützen, bleibt unausgebildet.
Wir helfen keinem Kind beim Überwinden eines Hindernisses. Wir geben keine Anweisungen wo ein Kind beispielsweise seinen Fuß beim Klettern abstellen oder sich mit seiner Hand festhalten muss. Das lernen die Kinder selbstständig, in ihrem Tempo von ganz alleine. Es passiert bei uns, dass durch dieses Ausprobieren und Üben, das ein oder andere Kind auch fällt. Wir betrachten das als Lebenserfahrungen und manche dieser Erfahrungen tun weh.
Doch wir sind auch an dieser Stelle für die Kinder da um sie in ihren Gefühlen zu begleiten statt die Gefühle zu übergehen.
Um sich bestmöglich frei bewegen zu können, brauchen die Kinder bei uns in der Aqua-Kita Kleidung die sie schmutzig und kaputt machen können. Konkret fordern wir von Euch Eltern an dieser Stelle, alle schicken Kleidchen, Jeanshosen und Hemden, Schmuck jeglicher Art, Gürtel oder Hosenträger zuhause zu lassen. Gut geeignet sind Leggins oder angeschnittene Strumpfhosen, Jogginghosen, Sweatshirts, T Shirts oder Pullover, Stopper Socken oder barfuß.
Das Barfußlaufen ist im Übrigen nicht nur unser pädagogischer Aspekt beim „kneippen“ sondern gehört auch zur freien Bewegungsentwicklung dazu. Ein Fuß der weder in eine Socke noch in einen Schuh gezwängt ist, kann sich freier bewegen, die Zehen können abgerundet werden und Untergründe werden viel sensitiver wahrgenommen und differenziert.
Die freie Bewegungsentwicklung spielt auch beim Bildungsort „Esstisch“ eine Rolle. Hier gehen wir kurz explizit auf Kleinkinder ein.
Kleinkinder müssen zwischen dem Stillsitzen, Bewegungsphasen einbauen können. Bewegung ist das Hauptthema in diesem Alter.In der Krippe stellen wir bei den jüngeren Kindern fest, dass sie noch nicht so lange aushalten am Essenstisch sitzen zu bleiben. Sie stehen immer wieder auf, laufen um den Tisch herum, essen im Stehen, sehen sich um.
An dieser Stelle gewähren wir. Wir zeigen dem Kind dann zwar immer wieder zwischendurch seinen Sitzplatz oder versuchen herauszufinden woran es vielleicht noch liegen könnte, dass es nicht sitzen möchte, aber wir erwarten es noch nicht. Im späteren Alter bei den etwas älteren Krippenkindern merken wir, dass wir die Erwartungshaltung, am Tisch während des Essens sitzen zu bleiben, eher in Betracht ziehen können. All das schließt in der jeweiligen Situation jedoch nicht aus, immer genau hinzusehen, um welches Kind es geht und welche Situationen vielleicht vorausgingen oder ob es vielleicht satt ist und ins Freispiel wechseln könnte.
Wenn Kinder eine eher eingeschränkte Bewegungsentwicklung durchleben, werden bestimmte Muskelgruppen weder angesprochen noch beansprucht und es kann zu Fehlbelastungen kommen. Werden Muskelpartien zu früh beansprucht, kann es zu Überlastungen kommen. Verlangen wir auf der mentalen Ebene vielleicht zu viel oder erwarten etwas zu früh, lösen wir bei den Kindern Druck, Unsicherheit und Verzweiflung aus. So lange die Motivation sich zu bewegen,wahrhaftig intrinsisch vom Kind ausgeht, statt extrinsisch vom Erwachsenen gesteuert und manipuliert, ermöglichen wir es, das Kind auf seine eigene Entdeckungsreise zu schicken und es dabei zu begleiten.
Sie reifen in ihrer Selbstständigkeit und ihrem Selbstbewusstsein und erfahren unsere Wertschätzung in dem wir ihnen etwas zutrauen. Sie lernen vor allem auch ihre eigenen Grenzen kennen, lernen sie zu spüren und trauen sich vielleicht auch mal auszuprobieren wie weit sie sich noch trauen würden. Wir Erwachsene können dabei vielleicht auch etwas lernen. Wir glauben vor allem, sich durch das Beobachten immer ein Stückchen weiter von dem Gedanken zu lösen, immer parat sein zu müssen oder den Kindern den Weg zu erklären. Denn wie wir ja bereits wissen, wird Gehörtes häufig vergessen, wenn es nur Gehörtes bleibt und nicht geübt werden darf