Ohne Lob durch den Kita Alltag – warum?
Manche Eltern mögen es, ihre Kinder zu ermutigen, ihnen Komplimente zu machen, ihnen Versprechen zu geben, wenn sie dieses oder jenes tun und sie zu loben. Sehr viele Erwachsene gehen davon aus, dass vor allem das Loben einem Kind gut tut. Aus unserer Sicht und aufgrund unserer Erfahrungen im Alltag mit Kindern betrachten wir das als Irrtum!
Loben kann schlicht und ergreifend abhängig machen und die Bedingungslosigkeit unserer Liebe für andere Menschen einschränken. Deshalb sollten wir lieber ermutigen, wertschätzen und unser gegenüber wahrnehmen.
Normalerweise gehen die Menschen davon aus, dass häufiges Loben für gute Leistungen oder für erfüllte Erwartungen, das Selbstvertrauen eines Menschen steigert und motiviert.
Erfolg und gute Leistungen oder ausgezeichnete Zensuren, sind jedoch nicht das Wichtigste. Wirklich bedeutend ist es stattdessen, sich selbst als besonders zu fühlen, so wie man ist, so wie man etwas geschafft hat. Wenn Ihr Euren Kindern beispielsweise ein Lob für eine bestimmte Handlung aussprecht, besteht der entscheidende Unterschied darin, ob Euer Kind nun das Gefühl bekommt, dass Ihr es liebt, für das was es tut, oder dafür wie es ist.
Zurecht wird jetzt die eine oder der andere von Euch sagen: “Moment, ich liebe mein Kind natürlich für das wie es ist.„ Das möchten wir auch gar nicht anzweifeln.
Ihr könnt ja gerne mal den Versuch wagen, Euer eigenes Verhalten Eurem Kind gegenüber zu beobachten. Vielleicht stellt Ihr dann auch fest, dass diese selbstverständliche bedingungslose Liebe, für Eure Kinder allerdings nicht immer eindeutig zu identifizieren ist. Auch wenn Ihr als Eltern von dieser Liebe wisst, werden Eure Kinder mit dieser Tatsache nicht geboren und brauchen daher immer wieder eine Art Rückversicherung.
Jetzt fragt Ihr Euch vielleicht: „Wie kann ich meinem Kind denn diese Gewissheit geben?“
Dafür braucht es drei wichtige Komponenten. Schenkt ihnen Eure liebevolle Zuwendung, berührt sie zärtlich und schenkt ihnen achtsame Worte.
Viele Erwachsene neigen stärker dazu, sich einem Kind besonders dann zuzuwenden, wenn beispielsweise ein neuer Entwicklungsschritt passierte und dann mit Worten wie: „Super, ganz toll, Du hast Pipi gemacht“, „ja ganz prima, fein gemacht, Du bist Laufrad gefahren.“ oder wenn außergewöhnliche Leistungen erbracht wurden: „Ganz stark, heute hast Du die anderen stehen lassen, Du warst 3 Sekunden schneller als beim letzten Sprint, da gibt’s heute ‘ne Sportlerlimo“ „In Mathe eine zwei? Wahnsinn, absolute Klasse, da erhöhen wir doch gleich mal dein Taschengeld für diesen Monat.“ Oder wenn sich Kinder unserer gesellschaftlichen Erwartungen entsprechend verhalten: „Ja prima, sehr schön gewunken.“ „Sag mal danke, super gemacht, ach bist Du süß!“ „Du bist so lieb, eine ganz brave warst Du heute.“
Gerade bei solchen Äußerungen, fühlen sich Kinder besonders gesehen und wahrgenommen. Sie bekommen eine hervorgehobene, besondere Anerkennung. Jedoch geht jedem Lob eine Handlung voraus und das kann im Laufe der Zeit dazu führen, dass Eure Kinder das Gefühl entwickeln, dass die elterliche Liebe nicht wirklich bedingungslos ist, sondern vielmehr der Eindruck entsteht, dass sie immer erst etwas besonders gut machen müssen oder hervorstechen müssen, um deutlich spürbare und wahrnehmbare Zuwendung von Euch zu bekommen. Dies führt dazu, dass im Unterbewusstsein eine Verknüpfung entsteht. „Wenn ich mich also so und so verhalte, wenn ich das sage oder mache, so wie es sich die Mama oder der Papa scheinbar wünschen, dann bekomme ich uneingeschränkte Aufmerksamkeit und positive Zuneigung.
Eure Kinder lernen dadurch, dass sie sich Zuneigung erst verdienen müssen und sie daher immer an eine Bedingung geknüpft ist. Noch mehr verstärkt wird dieser Lerneffekt, wenn die Zuneigung und die Aufmerksamkeit durch unerwünschtes Verhalten oder unerfüllte Ansprüche bewusst entzogen wurde. Macht ein Kind also beispielsweise in die Hose, was vorher häufiger am Stück mit dem Gang zur Toilette klappte und hochgelobt wurde, ist die elterliche Reaktion in der Regel nicht positiv oder verständnisvoll. Und schon gar nicht liebevoll. Was der Grund dafür war, weshalb es heute einmal nicht geklappt hat, wird selten hinterfragt. Ein Kind stellt ganz schnell eine Verbindung her.
Nämlich: „Durch erwünschtes Verhalten bekomme ich Lob, Freude, Aufmerksamkeit, Zuneigung, Belohnungen, Versprechungen. Durch unerwünschtes Verhalten werde ich bestraft, ich werde ignoriert, ich werde abgelehnt und werde getadelt.
Eine Beispielsituation bei der Bewertungen außen vor bleiben
Statt den Toilettengang als etwas gelungenes zu bewerten und das Geschäft welches in die Hose ging, als etwas schlechtes, wäre es Eurem Kind gegenüber wertschätzender, wenn Ihr beides annehmt, ohne eine Bewertung dabei mit einfließen zu lassen.
Ihr könntet bei der Begleitung des Toilettengangs auf die Signale oder Äußerungen Eures Kindes eingehen. In der Krippe äußerte ein Kind z.B. als es auf der Toilette saß: “Ich Kakka machen.” Dabei färbt sich sein Gesicht vor lauter Anstrengung rötlich und sein Blick wirkt angestrengt. Statt einem “ja prima” könntet ihr z.B. sagen: “Du scheinst gerade zu drücken, kann das sein? Dein Kopf färbt sich ganz rot und Du guckst recht angestrengt.“ Ihr begleitet dadurch verbal, was Ihr in diesem Moment wahrnehmt, jedoch ohne eine Bewertung einfließen zu lassen.
Jetzt stellt Euch noch eine andere Situation vor – Euer Kind kommt im gespreizten Gang auf Euch zu und äußert: ”Pipi Hose Papa.” “Nass”
Wenn das Geschäft wie im oben genannten Beispiel dann in der Hose, statt in der Toilette verrichtet wird, wäre es wunderbar, wenn Ihr Eure Gesichtsmuskeln unter Kontrolle bringt 🙂 Damit meinen wir z.B. kein Hochziehen Eurer Augenbrauen, das Zusammenpressen Eurer Lippen oder jegliche verbale Kommentare die in die Richtung “Na das ist aber nicht so schön” gehen.
Denn Fakt ist, das Euer Kind Euch damit nichts Böses möchte. Es will Euch damit nicht ärgern. Es ist schlichtweg ein Prozess, der Zeit benötigt.
Eine zuwendende Haltung nehmt Ihr in dem Moment ein, wenn Ihr Euch auf Augenhöhe Eures Kindes begebt und sagt: “Danke, dass Du zu mir gekommen bist und mir das gesagt hast. Was hältst Du davon, wenn wir zusammen ins Bad gehen. Ich kann Dir Deine nasse Kleidung ausziehen und dann schauen wir beide mal in Deinem Schrank, was Du frisches anziehen möchtest, hm?”
Leider ist es tatsächlich möglich das Verhalten eines Kindes zu lenken und zu beeinflussen. Kinder begreifen sehr schnell. Experten nennen ein solches Verhalten auch „Lernen durch Verstärkung“ und es ist eine Form der Konditionierung. Man könnte es auch Manipulation nennen.
Ein Lob zu bekommen, fühlt sich sicherlich mal gut an, Glückshormone wie Dopamin und Oxytocin werden ausgeschüttet und sorgen für Entspannung, Glücksgefühle und Lebensfreude. Allerdings darf man nicht vergessen, dass sie auch süchtig machen und somit sollte man das Lob wohlwollend dosieren und ehrlich statt manipulierend loben. Wie wertvoll ist ein Lob noch, wenn jemand davon 20-30 Stück am Tag bekommt? Wieviel Freude würde jemand dabei noch empfinden?
Und jetzt überlegt mal, wie viele Eurer Lobe wirklich reine Freude ausdrücken und wie viele Lobe mit der Absicht auf ein bestimmtes Verhalten gelenkt werden. Zählt doch mal wirklich pro Tag ganz bewusst wie oft Ihr lobt. Dazu gehören auch bereits Worte wie „super“ „toll“ „prima“ „spitze“ „klasse“ oder ein Applaudieren. Das sind auch kleine Lobe.
Wenn Ihr fertig seid mit dem Zählen, fragt Euch als nächstes, was der Hintergrund dafür gewesen ist. Wolltet Ihr Eure Freude teilen oder ein bestimmtes Verhalten verstärken?
Wenn Ihr Euch von Herzen mit Eurem Kind freut oder Stolz empfindet, dann dürft Ihr das auch zeigen. Ehrlich und authentisch. Echte Freude über neue Entwicklungsschritte und außergewöhnliche Leistungen sind absolut wichtig und berechtigt.
Beitrag von Nadja Simon