Ich komme hoch hinauf

Erfahrungen der Krippenkinder in der Turnhalle

Damit die Krippenkinder die Turnhalle im Hortbereich nutzen können habe ich mir im Vorfeld über die Gruppeneinteilung Gedanken gemacht. Ich habe eine Kleingruppe zusammengestellt, die in ihrem Alter, ihren Interessen, Bedürfnissen und in ihrer
Entwicklung weitestgehend ähnlich und homogen sind. Dies bietet sich insbesondere aus dem Grund an, dass ich die Kinder bei den nächsten Turnhallenbesuchen an der Stelle abholen kann, an der sie sich aus entwicklungspsychologischer Sicht befinden. Im weiteren Verlauf kann ich meine nächsten angebotenen Einheiten gezielt nach Interessen und dem jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder aufbauen und vertiefen.

Grundsätzlich gilt, dass das Kind in der Turnhalle das Angebot frei nutzen und selbständig begreifen kann und somit unabhängig in seinem Handeln ist. Dabei nehme ich als Pädagoge eine zurückhaltende Position ein, in der ich den Kindern aber signalisiere, dass ich sie wahrnehme, sehe und wenn nötig, auch begleite. So habe ich mich, den Kindern zugewandt, an den Rand gesetzt. Voller Freude haben die Kinder erst einmal die Räumlichkeiten betrachtet – denn einige von ihnen waren das erste Mal in der Turnhalle –
sind durch den Raum gerannt, von Matte zu Matte gesprungen oder haben mit dem Ball oder den Stoffwürfeln gespielt, die in der Turnhalle zur Verfügung standen.

Nach einiger Zeit hat ein Kind die Kletterwand entdeckt und versucht daran hoch zu klettern. Nach und nach kamen weitere Kinder dazu und probierten dies ebenfalls. Dies zeigt deutlich, dass Kinder von sich aus Herausforderungen suchen und sich selbständig Ziele setzen, ohne dass ich als Pädagoge etwas gezielt anbieten oder das Kind dazu auffordern muss. So haben sich die Kinder zur Aufgabe gemacht die Wände zu erklimmen, haben sich eigene Ziele und Grenzen gesetzt – und das ohne Druck von mir und in ihren eigenen Tempo.

Ein Kind schaffte es nach kurzer Zeit in die Höhe zu klettern, dafür ist einiges an Kraftaufwand, Koordination und Geschicklichkeit notwendig. Das Kind muss schauen in welcher Art es mit seinen Füßen auftreten und diese abdrücken muss. Mit den Fingern muss ausprobiert werden, wie der Klettergriff zu greifen ist, damit es nicht abrutscht. Eine Leistung, die dem ganzen Körper Anstrengung abverlangt!

Klettern schult spielerisch motorische Fähig- und Fertigkeiten und trainiert zudem viele Körperpartien und Muskelgruppen. Klettern verbessert die Kontrolle des Körperschwerpunktes und kann unterstützend zu einer gesunden und aufrechten Körperhaltung beitragen. Das Kind lernt außerdem sein Gleichgewicht halten zu müssen. Doch auch die kognitiven Fähigkeiten werden geschult – wie? – darauf gehe ich nachfolgend ein.

Ein Kind staunte, dass das andere Kind so hoch gekommen ist – und wollte dies ebenfalls schaffen. Es wandte sich hilfesuchend an mich und signalisierte mir, dass es von mir hochgehoben werden wollte. Um die Selbstwirksamkeit des Kindes nicht zu beeinträchtigen, bringen wir grundsätzlich die Kinder nie in eine Position, welche sie noch nicht von alleine erreichen können. „Jetzt schaffst du es vielleicht noch nicht, doch eines Tages wirst du es von ganz alleine schaffen.“ – nach dieser Aussage war der Ehrgeiz des Kindes umso mehr geweckt! Es schaute die Kletterwand hoch, durch den Raum und überlegte wie es die
Kletterwand erklimmen konnte. An dieser Stelle werden kognitive Fähigkeiten geschult, denn das Kind sucht nach einer Alternative, einem Weg nach oben zu gelangen, Kreativität und Problemlösefähigkeit werden hier gefördert. Auch wird das eigene Risikobewusstsein angesprochen und das Einschätzen der eigenen Fähigkeiten verbessert und geschult.

Das Kind kam auf eine tolle Idee: es holte einen Stoffwürfel um sich ein Podest zu bauen um leichter an die höher gelegenen Griffe zu kommen. Schnell stellte es fest, dass der Stoffwürfel zu klein war. Das Kind machte sich sofort auf die Suche nach einem größeren Stoffwürfel – und siehe da – es klappte! Das Kind stand auf dem Stoffwürfel und erreichte so höher gelegene Griffe – das Klettern konnte beginnen! Durch dieses Erfolgserlebnis machte das Kind positive Lernerfahrungen. Das Gefühl, es selbst geschafft zu haben – eine ganz wichtige und wertvolle Erfahrung. Das Kind lernt außerdem, dass sich Geduld und
Ausdauer lohnt.

Im weiteren Verlauf halfen alle Kinder mit, holten Stoffwürfel, überlegten gemeinsam wie sie nach oben kommen können und freuten sich jeweils für das Kind, welches es geschafft hatte sein eigen gesetztes Ziel zu erreichen. Aus einzelnen Zielsetzungen ist eine Gruppenzielsetzung entstanden. Die Kinder haben sich an diesem Tag ihr eigenes Thema in der Turnhalle gesucht und auch gefunden. Das zeigt noch einmal ganz deutlich, dass wir als Pädagogen keine „Bewegungsstunde“ Schritt für Schritt bis ins kleinste Detail planen müssen. Das schöne ist, dass man am Anfang nie weiß was am Ende herauskommen wird – dies bestimmt jedes einzelne Kind für sich ganz alleine.

Daisy Rösner